Heimberg

Bauernkeramik vor 1840 Alt-Heimberg

Aufgrund von Urkunden setzt das Hafnergewerbe in Heimberg um 1730 ein. 1731 erste Nennung des aus Langnau stammenden Abraham Herrmann, der in Heimberg seine Werkstatt eingerichtet hatte. Ihm folgten rasch andere Hafner aus dem Emmental / Langnau und aus andern Töpferzentren, selbst aus dem Ausland. In kurzer Zeit gabt es 10 und mehr Werkstätten. Ihre Produkte unterscheiden sich vorerst kaum von denjenigen aus Langnau. Nach 1770 erscheint der typische Alt - Heimberg Stil : Meistens dunkelbraune, seltener ziegelrote oder weissgelbe Engobe (Grundfarbe) mit bunter, unbeschwerter, volkstümlicher Dekoration (figürlich und ornamental). Braun-schwarz engobierte Geschirren, welche lange Zeit charakteristisch für die Heimberger Produktion blieben. Das Geschirr war damals Gebrauchsgeschirr für die tägliche Benutzung und wird als "Bauernkeramik" oder "Hafnerware" bezeichnet. Dekoriert wurde es nach der Herstellung und Trocknung der Ton-Grundform durch bemalen mit flüssiger Engobe. Diese befand sich in kleinen Behältern, welche Lampen glichen, in deren Ausflussteil ein Federkiel gesteckt wurde. Damit wurden Punkte, Linien und Figuren gemalt. Anschliessend wurden die Stücke mit einer Bleiglasur überzogen. Neben Blumendekoren mit Margeriten,Butterblümchen und Maiglöckchen in Verbindung mit Blattwerk, finden sich auch abstraktere Blumenbouquets. Beliebt waren in Heimberg ab 1800 auch Bilddekore mit Pfeife rauchenden Männern, Darstellungen von Herrschaften in der Kutsche, Löwen, Vögel und vieles mehr. Das Heimberger Töpfergewerbe war ein Kleingewerbe, dass oftmals neben einem landwirtschaftlichen Kleinbetrieb betrieben wurde, in dem alle Familienangehörigen Aufgaben übernahmen.Um 1850, auf dem Höhepunkt der keramischen Entwicklung in Heimberg, existierten etwa 90 Betriebe nebeneinander. Die Blütezeit der Alt-Heimberg Bauernkeramik dauerte von ca. 1800 bis 1840.


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Bauernkeramik nach 1840 - 1870

Nach 1840 setzte eine allgemeine Krise ein:

ein Wandel im Geschmack richtete sich gegen das bäurische Geschirr. Man fand vorerst keinen neuen befriedigenden Stil.
die Einfuhr billiger, oft aber haltbarerer Ware aus dem Ausland drängte den Verkauf von Gebrauchsgeschirr stark zurück.

Die Hafnerhäuser, deren grössere Zahl zwischen 1810 und 1880 erstellt wurde, gleichen sich in Stil und Einteilung sehr stark. Sie waren für Familienbetriebe von 3 bis 5 Personen eingerichtet. Sehr oft war der Hafnerei eine kleine Landwirtschaft, seltener war ein weiteres Gewerbe angeschlossen. In Heimberg wurden stets recht zahlreiche fremde Hafnergesellen oder Wandergesellen, aus anderen schweizerischen Hafner-Gegenden oder sogar aus dem Ausland beschäftigt. Dieses brachte immer wieder neue Impulse nach Heimberg. Belastend wirkte sich die damals starke Verbreitung von Berufskrankheiten : Bleivergiftung (Bleiglasur) und Tuberkulose in vielen Formen aus. Nach 1860 begannen einzelne Töpfer in Heimberg Teller und Platten mit immer mehr ornamentalem Dekor und vermehrt mit Blumen zu bemalen.


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Alt Thun oder Chrutmuster

Das sogenannte "Alt Thun - oder Chrutmuster" wird oft als Inbegriff der Thuner Majolika angeschaut. Das eigenartige, auf einer stilisierten Blumenform mit stilisierten Blättern beruhende Ornament ist aber älter als die Thuner Majolika. Es erscheint noch viel weniger perfekt und in andern Farben gelegentlich auf Stücken aus Hafnereien im Emmental, bevor es in Heimberg Eingang gefunden hat und hier von etwa 1860 weg bis auf den heutigen Tag immer wieder verwendet wird. Von der Majolika übernahm es zu gewissen Zeiten die persische Marguerite in fast plastischer Form.


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Pariser Geschirr 1860 - 1880

Die Hafnerei wurde zur Kunsttöpferei. Ausdruck dafür ist das sogenannte "Pariser Geschirr" als erste Form dessen, was man als "Thuner Majolika" bezeichnet. Dieser gefällige Stil erreicht zwischen 1870 und 1880 seine Blüte, zusammen mit dem aufkommenden Tourismus. Reisende kauften reich verziertes altes Heimberger Geschirr und Faiancen aus dem Simmental m Antiquitätenladen Born in Thun als Souvenirs. Die Nachfrage war so gross, dass neue Kunst-Töpferei produziert und verkauft wurde. Damit begann die Epoche der Heimberger Majolika, ein Kunstgeschirr, dass unter dem Namen "Thoune" oder "Thuner Majolika" noch heute begehrt und gesammelt wird.
Neue Impulse kamen nach etwa 1860 von aussen:

Fremdenverkehr im Oberland, besonders auch in Thun. Allgemeine Internationalisierung infolge der neuen Verkehrswege (Eisenbahnen, Weltausstellungen und internationale Ereignisse.
Von Paris (Keramikatelier des Théodore Deck) und von dort tätigen Geschirrhändlern. (Fa. Schoch-Läderach, Wunderlich und Sohn) kamen z.T. direkte Einflüsse nach Heimberg.
Die Dekoration bestand aus mannigfaltig geformten Flächen gefüllt mit stilisierten (Lotosblumen) und einheimischen Blumen.


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Thuner Majolika 1880 - 1920

Das Pariser Geschirr wurde abgelöst von Einflüssen aus dem Orient (Persien) Italien (beobachtbar bei allen klassischen Keramikzentren). Seit dem Beginn der siebziger Jahren wurde versucht, anhand von Vorbildern oder Musterzeichnungen eine bessere Keramikqualität zu produzieren. Weitere Förderer waren Franz Keller-Leuzinger (1835-1890), Ingenieur, Samuel Born-Straub (1845-1914), Antiquitätenhändler in Thun sowie der Heraldiker Christian Bühler (1825-1898), welcher von 1854 bis 1880 Konservator der öffentlichen Gemäldesammlung der Stadt Bern war.

Einzigartig sind die dokumentierten Einflüsse durch das Ottomanische Reich und durch den Einfluss der Ausgrabungen von Troja (Siehe Kapitel "Wanzenried" und Kapitel "Musée Céramique").
Die Dekoration besteht aus mannigfaltig geformten Flächen gefüllt mit stilisierten (Lotosblumen) und einheimischen Blumen.
Nach 1881 wird das Edelweiss häufig verwendet.
Die Gefässformen sind sehr vielfältig, oft bizarr.

Dieses Geschirr ist der Inbegriff der Majolika. Seine Ausdrucksformen sind uns nicht leicht zugänglich. Technisch weist dieses Geschirr oft einen hohen Stand auf. Etwas später erscheint häufig eine weitere Art:

weisse Engobe
über den ganzen Körper regelmässig verteilte Blumenranken.

Neben kleineren bestimmbaren oder stilisierten Blumen nimmt die Fleur Indienne (ganz blau oder blau und rot) die auffallendste Stelle ein. Wenn geometrische Flächen (braun) damit verbunden sind, stammen die Entwürfe von Prof. Gmelin.
Die Majolikaproduktion erreichte in diesen Jahren eine fast unvorstellbare Vielfalt, vorzügliche Stücke und qualitativ Minderwertiges standen stets nahe beieinander. In dieser Zeit begann die für die Gegend bedeutende Manufaktur des Johann Wanzenried in der Glättemühle im Schwäbis (später Steffisburg Station) zu arbeiten.


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Johann Wanzenried

Johann W a n z e n r i e d (1847 - 1895) Sohn eines Glättemüllers (Glasurhersteller) und einer Hafnerstochter in der Glättemühle (Steffisburg Station) studierte Bauingenieur an der ETH - Zürich und übernahm 1872 den väterlichen Betrieb. Er entwickelte ihn zu einer Geschirrmanufaktur mit etwa 30 Angestellten. Wenn auch die Art Geschirr herzustellen gewisse technische Neuerungen aufwies, blieb doch Wanzenrieds Betrieb stets noch eine Hafnerei in grösserem Mass. Wanzenried setzte sich am intensivsten und nachhaltigsten mit der Verbesserung der künstlerischen und technischen Qualität der Keramik auseinander. Die Produktion seiner Manufaktur ist relativ gut bekannt, einerseits weil die Stücke gekennzeichnet sind, andererseits weil Prospekte und Fotografien vorhanden sind. Schon kurz nach 1880 erkrankte er, und seine Frau Marie Luise, geb. Ingold (1849 - 1929) führte die Firma weiter. Die sehr umfangreiche Produktion der Firma Wanzenried zeichnete sich allgemein durch gute Qualität und stets sorgfältige Gestaltung aus, F.E. Frank arbeitete sein ganzes Leben lang für die Firma Wanzenried. Leopold Gmelin (1847-1916), Christian Bühler und Ernst Friedrich Dachselt (1860-1937) haben für Wanzenried Entwürfe gezeichnet, die dann vor allem von Friedrich Ernst Frank (1862-1920) auf die Platten und Teller gemalt wurden. Ein weiterer Entwerfer der Manufaktur Wanzenried war Rudolf Münger (1862-1929), Maler, Zeichner, Glasmaler, Illustrator und Heraldiker.


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Friederich Ernst Frank

Friedrich Ernst F r a n k (1862 - 1920) geboren und zeitlebens ansässig an der Bernstrasse in Steffisburg, war nach 1887 der bedeutendste Entwerfer. Seine berufliche Tätigkeit lässt sich von 1882 weg anhand des sehr grossen überlieferten Materials genau verfolgen. 1878 trat er bei Johann Wanzenried als Keramikerlehrling ein, besuchte 1887 für ein Jahr die k.k. Schule für Keramik in Znaim an der Thaya in Mähren. Seine Fähigkeiten im Zeichnen und seine Genauigkeit liessen ihn alle Strömungen im internationalen Kunstbetrieb zwischen 1880 und 1920 mitmachen Neubarock, omantisierende Heraldik, Volkstümliches, Firgürliches, Jugendstil, art déco. Er arbeitete auch intensiv an der Entwicklung guter Gefässformen. Eine besondere Leistung Franks sind die Teller und Platten mit Figuren : volkstümliche Köpfe und Szenen, Gruppen mit biblischem oder mythologischem Inhalt. Ihr Vorbild sind die figürlichen Dekorationen aus dem Atelier des Théodore Deck in Paris, deren Entwürfe z.T. von Albert Anker angefertigt worden sind.


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Vedutenplatten

Vedutenpiatten waren ein beliebter Souvenirartikel. Während die Verzierung auf dem Rand in keramischer Technik erfolgte, wurde die "Vedute" das Landschaftsbild im Zentrum, als Oelmalerei erst auf der fertig gebrannten Platte angebracht. Vorbild waren kolorierte Stiche der Zeit zwischen 1750 und 1830. Vedutenkopisten verzierten auch flache Steine, Holzschachteln und anderes. In Thun gab es Dutzende von Vedutenmalern. Auch Ferdinand Hodler arbeitete als Jüngling bei einem solchen.
Die heraldische oder Wappenmalerei erfreute sich zwischen 1890 und 1915 einer grossen Beliebtheit. Sie gehört zur historisierenden Spätromantik und wurde gefördert durch Jubiläen wie "600 Jahre Eidgenossenschaft" 1891, oder die Feiern für den Eintritt in den Bund (z.B. 1903 : 550 Jahre Bern beim Bund; 1915 Wallis oder Graubünden 100 Jahre beim Bund) Die heraldischen Motive stellten besonders grosse Anforderungen an die Entwerfer und Zeichner.


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Jugendstil und Art Déco

Jugendstil und art déco entwickelten sich zwischen 1890 und 1910, in gewissen Abwandlungen bis 1920 zu voller Blüte. Auffallend ist die Naturbetrachtung : Pflanzen. Insekten und Kleintiere bildeten die Motive. Dabei fand ein Umsetzen zur "Dekoration" statt. Die Formen wurden zu "rhythmischen" Einheiten zusammengefasst, die Farben als reine Flächen aufgebracht. Zudem erscheinen neue Farbkombinationen z.B. hellblau auf dunkelblau, grün auf blau und andere. Die Gefässformen werden oft dem Rhythmus der Dekoration angeglichen, z.B. Vasen, die das Schwergewicht des Körpers weit oben aufweisen. Die Gefässe und Formen im Jugendstil gehören zum Schönsten der Majolikaproduktion.
Nach 1920 ist die Zeit der Thuner Majolika zu Ende. Aber auch der grösste Teil der ehemaligen Werkstätten ist verschwunden. Da und dort suchte man den Anschluss an den aktuellen Zeit-stil nochmals zu finden. Von den alten Werkstätten überlebten noch etwa 6 bis heute. Mit dem Ende der Blüte der Thuner Majolika verschwand auch sehr rasch das Verständnis für dieses Geschirr. Man fand es kitschig, minderwertig. Es passte nicht mehr in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, und man zerstörte es nicht selten bewusst, während gleichzeitig Alt - Heimberg bei den Sammlern zu hoher Ehre kam. Seit.etwa 1960 Jahren stösst aber auch die Thuner Majolika auf neues Interesse. Man begreift sie in allen ihren Ausdrucksformen als Zeugnis des Zeitgeschmacks.


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Heimberger Keramik heute

Viele dieser Gegenstände sind heute in England und Frankreich, den Herkunftsländer der damaligen Reisenden zu finden.